"Um einen einfallenden deutschen Heere Schwierigkeiten für die rückwärtigen Verbindungen zu schaffen, haben die Franzosen den Bau von nur wenigen Eisenbahnen über die Grenze zugelassen. Im mittleren Teile der Grenze sind es 3 von Straßburg, Saarbrücken und Metz heranführenden Linien. Abgesehen von einer Abzweigung über Minecourt sind alle diese Linien nur über Toul weitergeleitet. So sperrt die Festung mit einem Schlage etwa die Hälfte aller direkten Schienenwege zwischen Deutschland und dem inneren Frankreich. Sie sperrt zugleich den für den Nachschub brauchbaren Rhein-Marne-Kanal und eine Anzahl in die Champagne führender Straßen.
Toul, als rechter Flügelstützpunkt des befestigten Abschnitts der mittleren Maas, ist mit der ganzen Tiefe seines Umfanges vor die Linie Vorgeschoben, in der Weise, daß es mit der Position de Nancy zusammen eine nach allen Seiten gesicherte Flankenstellung von über 30 km Längsausdehnung darstellt. Aus ihr heraus beabsichtigen die Franzosen, mit starken Kräften gegen die Flanke eines die Maas-Forts angreifenden oder durch die Lücke Epinal-Toul vordringenden deutschen Heeres vorzustoßen. Um der Feldarmee in dem großen verschanzten Lager volle Beweglichkeit zu sichern, sind zahlreiche Übergänge im Mosel-Bogen und über die Meurthe hergestellt.
Die Stadt Toul liegt im Mosel-Tal, dort, wo dieses sich in einem scharfen Bogen nach Westen auf 13 km der Maas nähert. Nördlich und südlich der Stadt ist das Gelände eben. Es wird durch die vereinzelten starken Erhebungen des Mont St. Michel und der unmittelbar westlich davon gelegenen Côte Barine in zwei Hälften zerlegt. Nach Westen erhebt es sich in schroffen Hängen zu den 200 m überhöhenden Côtes des Meuse (Côtes de Lorraines), einem Gebirgszug, der sich bis an die Maas erstreckt. Auf dem linken Mosel-Ufer steigt das Land aus der Ebene nach Nordosten und Südosten zu einem Hügellande an; in dem Mosel-Bogen finden wir das Plateau des Haye mit seinen bis zur Stadt reichenden Ausläufern. Im Nordwesten, Westen, Südosten und Osten liegen ausgedehnte Waldungen – zum größten Teil mit dichtem Unterholz – unmittelbar vor der äußeren Fortlinie.
Die Festung hat eine Stadtbefestigung und 2 Fortlinien, zu denen im Mosel-Bogen noch eine weitere Zwischenlinie hinzukommt. Vorgeschobene Stellungen sind im Frieden nicht ausgebaut.
Die Hauptkampfstellung, welche im Umzuge der äußeren Fortlinie liegt, hat 46 km Umfang. Sie besteht aus 7 Forts, 11 Zwischenwerken und 12 Infanteriewerken.
Die Befestigungsgruppen von Villey-le-Sec (SO), auf dem Plateau Lucey (NW) und das Fort St. Michel sind dank ihrer beherrschenden Lage oder ihres starken Ausbaues zu selbständigem Widerstande befähigt.
Seit 1905 sind die alten Werke zum größten Teile umgebaut worden, so daß zur Zeit alle Forts und Zwischenwerke äußere Grabenwehren, betonierte Schutzhohlräume (zum Teil Eisenbeton), Sturmabwehrgeschütze und Maschinengewehre unter Panzer, Panzerbeobachtungsstände besitzen; 8 von ihnen sind mit betonierten Zwischenraumstreichen versehen. Je 1 Panzerturm mit lg. 155 mm Kanonen befindet sich in den Forts Villey-le-Sec, Lucey, St. Michel. Außerhalb der Werke stehen 3 solche Panzertürme auf dem Plateau de Lucey – davon 2 zu einer Batterie vereinigt. Ferner soll eine Panzerbatterie zu 2 Türmen in die Nähe des Forts Villey-le-Sec erbaut werden. Es ist bemerkenswert, daß die Franzosen mit diesen Panzeranlagen ihren früheren Grundsatz, gepanzerte Geschütze nur innerhalb der Werke aufzustellen, durchbrochen haben und deutschen Anschauungen näher gerückt sind.
Auf der Westfront zwingt der schmale Rücken der Côtes de Meuse (CôtesLorraines) zu enger Vereinigung der Artillerie- und Infanterie-Kampfstellungen. Beide sind durch zahlreiche Infanteriestellungen und eingeschnittene Batterien mit dahinterliegenden, in Fels gesprengten Bereitschafts- und Munitionsräumen schon im Frieden ausgebaut, wobei man auch auf Wirkung nach Osten bedacht genommen hat, in der Absicht, nach dem Falle der Ost- und Nordfront noch die Stadt und die Westfront zu halten. Den Abschluß bilden im Norden die starke Befestigungsgruppe von Lucey, im Süden das Fort de Blénod.
Die Nord- und Ostfront sind infolge ihres starken Ausbaues und der günstigen Trennung der Artillerie- und Infanteriestellungen am stärksten. Dazu wird der westliche Teil der Nordfront vom Plateau de Lucey flankiert. Die vorspringende Nordostecke ist im Bois de Villey-St. Etienne zu einem Centre de rèsistance ausgebaut. Zwischen den dicht beisammen liegenden Werken befinden sich dort Schützengräben mit inneren Betonbrustwehren und stählernen Kopfschilden. Die Artilleriestellungen sind durch zahlreiche eingeschnittene Batterien vorbereitet. Eine große Menge von Bereitschafts- und Munitionsräumen finden sich auf der Nord- und Ostfront hinter der Infanterie- und Artillerielinie.
Im Moselbogen bildet den Hauptstützpunkt der Ostfront das Fort Villey-le-Sec.
Die Südfront zählt verhältnismäßig die wenigsten Werke und hat keinen Ausbau des Zwischengeländes; sie wird aber durch die Forts Villey-le-Sec und Blénod beiderseitig flankiert.
Eine zweite Befestigungslinie wird gebildet durch die Redoute de Dommartin, das Fort St. Michel, die befestigte Côte Barine (unmittelbar westlich St. Michel), die Redoute de la Justice und das Fort Tillot. Soweit bekannt, sind die Werke noch unverstärkt.
Im Mosel-Bogen befindet sich zwischen 1. und 2. Linie noch eine Zwischenlinie, gebildet durch die veraltete Redoute de Chandeney sowie die modernen Werke Ouv. du Charmois (2 km nördlich der letzteren) und Ouv. de Gondreville.
Die Stadtumwallung ist gänzlich veraltet.
Ein ausgedehntes Schmalspurnetz verbindet die Werke mit der Stadt und untereinander. Auf der Kathedrale von Toul befindet sich eine Funkspruchstation. 2 Luftschiffhallen sind auf dem Exerzierplatz bei Dommartin errichtet. Ein Flugplatz ist östlich des Mont St. Michel angelegt.
Geschützausrüstung: höchstens 1000, darunter höchstens 500 Kampfgeschütze, von denen sich etwa 300 Kampfgeschütze schon im Frieden in Batterien und Werken befinden. Außerdem lagert in Toul ein Teil eines Artilleriebelagerungstrains.
Vermutliche Kriegsbesatzung 50000 Mann, einschließlich einer Reserve-Division des XX. Armeekorps und wahrscheinlich einige aktive Bataillone."
Quelle: Großer Generalstab 4. Abteilung "Die französischen Befestigungen gegen Deutschland und die Grundzüge ihrer Verteidigung" Nr. 492 Geheim 1913
Enceinte mit der Porte de France |
Verteidigungsscharten an der Porte de France |
Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 umging die III. deutsche Armee zunächst Toul. Jedoch erschwerte die Festung Toul den Nachschub an Truppen, Artillerie und Munition, da nun kleinere Seitenwege für diesen Verkehr genutzt werden mussten. „Wiewohl nun die Festung dem Vormarsch der III. Armee kein wesentliches Hindernis entgegensetzte, so waren doch die Nachschübe an Verpflegung und Material aller Art für dieselbe, selbst unter Benutzung der mangelhaften Seitenstrassen sehr erschwert und sogar durch Angriffe marodirender Mobilgarden und Franctireurs gefährdet. Die Rücktransportirung von Kranken und Verwundeten wurde bei dem weiteren Vormarsch der Armee immer schwieriger, die Heranschaffung von Artilleriematerial aller Art für eine event. Belagerung von Paris bei der höchst wünschenwerthen Beschleunigung des Transportes bis in das Unendliche behindert. Unser vortrefflicher Eisenbahnapparat war vor Toul lahm gelegt, ...“ (B. von Tiedemann, Der Festungskrieg im Feldzuge gegen Frankreich 1870-71, Berlin 1872)
Am 23.08.1870 wurde daher Toul von Bayerischer Artillerie beschossen, um die Stadt zur Übergabe aufzufordern. Am 24.09.1870, nach mehreren Übergabeaufforderungen und Heranführung schwerer Belagerungsartillerie kapitulierte schließlich die 2.300 starke Besatzung, nach dem sie ihre letzten Granaten verfeuert hatten.
Quelle: B. von Tiedemann, Der Festungskrieg im Feldzuge gegen Frankreich 1870-71, Berlin 1872
"Toul hat eine Enceinte mit 9
Bastionen, nassen, nicht flankierten Gräben und einigen Außenwerken. Der neue
Fortsgürtel misst etwa 40 Kilometer. Bei Gondreville sollte ein Fort erbaut
werden, wurde aber bis jetzt nicht ausgeführt; Redoute Dommartin; Fort
Villey-le-Sec mit einigen Batterien in der Nähe des gleichnamigen Ortes; die
kasemattierte Batterie Chaudenay; Fort du Tillot mit Annexbatterien, zur
Beherrschung der gegen die Mosel abfallenden Ebene; Blenod-le's-Toul (kasemattierte
Batterie) mit 2 Annexbatterien; Redoute la Justice gegen das Thal de l'Ingressin;
Fort Domgermain, ebenfalls gegen das vorgenannte Thal und die gegen die Mosel
abfallende Ebene; Fort Ecrouves gegen die Ebene im Osten und die Cote Barine,
sowie ebenfalls gegen l'Ingressin; Fort Lucey (Quart en Reserve) mit
Annexbatterie (und einem Panzerturm) gegen die Ebene im Norden; Fort Mont-St.
Michel et son enveloppe (die Citadelle von Toul); endlich Fort Francheville. Der
beabsichtigte Bau der Redoute la Haye-St. Jaques kam nicht zur Ausführung."
Quelle: L. Obermair „Die Befestigungen
Frankreichs“ 1886
"Das Fort Jouy bildet
gleichzeitig den Übergang zu der zweiten großen Fortsfestung der Ostgrenze, zu
dem auf dem linken Moselufer etwa 12 km von der Maas, 20 km von Nancy und 35 km
von dem nächsten Punkt der fransösisch-deutschen Grenze entfernt gelegenen Toul.
Im Norden durchzieht der Rhein-Marnekanal das Land, welchen die Festung ebenso zu
schützen hat, wie die unbefestigte Hauptstadt von Französisch-Lothringen, Nancy.
In französischen Fachblättern ist wiederholt auf die Notwendigkeit der
Befestigung dieser Stadt hingewiesen worden, stets aber ohne Erfolg; der
tatsächliche Überfluß an vorhandenen Befestigungen ist bei dieser
Erfolglosigkeit wohl von bedeutendem Einfluß gewesen.
Im Norden von Toul ist auf der Höhe von Lucey das gleichnamige Fort zwischen den
Dörfern Lagney und Neuveville erbaut; es wird verstärkt durch die Batterien
Trondes und beherrscht mit dieser sämtliche Straßen im Norden der Festung und
besonders die große Straße nach Metz. Unterstützt wird diese Aufgabe von dem
südwestlich gelegenen Reduit Bruley mit seinen Anschlußbatterien.
Weiter südlich und im Westen von Toul ist das Fort Ecrouves mit der westwärts
auf der Hochebene vorgeschobenen Batterie Mortemoselle zu erwähnen, dessen
Geschütze den Verkehr auf der Eisenbahn nach Commercy und auf dem
Rhein-Marnekanal verhindern. Rechts davon befindet sich das große Fort
Saint-Michel, welches nicht allein die nach Norden führenden Straßen, sondern
auch den westlich liegenden Bergkegel Barine beherrscht.
Bei dem Dorfe Gondreville liegt das mit Anschlußbatterien versehene Fort dieses
Namens am Ufer der Mosel und bestreicht die den Wald von Haye durchschneidende
große Straße nach Metz.
Weit nach Osten vorgeschoben und nördlich von dem Bois du Chanot oder l’Eveque
liegt das Fort Villey-le-Sec mit der Nord- und Südbatterie zur Bestreichung der
Mosel. Zwischen diesem Fort und Toul selbst befinden sich noch die Redouten
Dommartin und Chaudeney, welch letzteres dicht am Ostrand des gleichnamigen
Waldes gelegen die in denselben einmündende Straße nach Villey sperrt.
Im Süden von Toul liegt zunächst die große Redoute Tillot, welche die Straße
nach Epinal und den westlichen Teil des Bois du Chanot beherrscht, während das
zur Bestreichung der Straße nach Neufchateau erbaute Fort Blénod auf der Höhe
nördlich dieses Dorfes liegt, in der Straßenbiegung von Toul nach Vaucouleurs,
und beide Schläge dieser Straße unter Feuer nimmt.
Im Westen liegt die Hochfläche von Domgermain, welche nach Süden offen ist, nach
den drei anderen Himmelsrichtungen steil abfällt; westwärts legt sich das
schmale Tal von Passey vor, von dem aus sich ungeheure Waldungen nach Westen
ausdehnen. Auf dieser Höhe ist das Fort Domgermain erbaut, welches mit der
Redoute Justice die Eisenbahn nach Paris und den Rhein-Marnekanal bestreicht.
Vervollständigt werden diese Anlagen durch die in der Liste A zum Gesetz vom 27.
Mai 1889 aufgeführten Werke Chanot, Bouvron, Villey-Saint-Etienne, Francheville
und Gye, welche bei den gleichnamigen Orten, Wäldern usw. liegen."
Quelle: General Cosseron de Billenoisy „Die Befestigungen
Frankreichs“ 1890
Fort de Blénod |
Fort de Bruley |
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Fort de Lucey |
Fort de Trondes |
Fort du Vieux-Canton |
Fort de Gondreville |
Fort du Chanot |
Fort du Tillot |
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Redoute de la Justice |
Redoute de Chaudeney |
Letzter Stand: 23.02.2023