Auszug aus der Marine Dienstvorschrift M.Dv. 915 "Fremde Marinen - Niederlande - Küstenverteidigung und Häfen" OKM 3. Seekriegsleitung vom März 1940:
Die Befestigungen von Amsterdam und Ijmuiden
Durch die Fertigstellung des Seekanals Amsterdam – Ijmuiden mit seiner großen Schleusenanlage haben die Befestigungsanlagen dieser Zone erhöhte militärische Bedeutung erlangt. Gegen Landungsunternehmen ist Amsterdam durch einen Gürtel Überschwemmungsgebiete geschützt, hinter dem die Befestigungen als Verstärkung liegen. Der Verteidigungsgürtel liegt stellenweise 16 bis 17 km vom Stadtmittelpunkt entfernt. Es ist nicht bekannt, wie weit die Werke noch bestehen, bzw. in welchem Erhaltungszustand sie sich befinden.
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1. Von unmittelbarer Wichtigkeit für die Deckung des Nordseekanals ist das Fort Ijmuiden, das auf einer durch die Nord-Süd-Einfahrt gebildeten Insel liegt. Die Bewaffnung besteht aus fünf (wahrscheinlich 24 cm) Geschützen in Kasemattaufstellung mit Hauptschussrichtung W und aus zwei mittleren Geschützen in einem Panzerturm. Nach neueren Meldungen ist das Fort ausgebaut worden und hat eine ständige Besetzung von 1.200 Mann aus Den Helder erhalten.
2. In den Dünen auf der Nordseite des Hafens von Ijmuiden etwa 1.200 m nördlich der Nordeinfahrt eine Batterie von drei mittleren bis schweren Geschützen: Hauptschussrichtung W. 400 m südlich davon bis zur Einfahrt starke Betonbunker und (Wahrscheinlich) MG-Stände sowie Scheinwerfer.
3. Batterie von drei mittleren bis schweren Geschützen ca. 1 km nördlich 2.) im Dünengelände an der Küste. Hauptschussrichtung W. In der nächsten Umgebung der Stellung zahlreiche Batteriegebäude, barackenartige Lagerhäuser (Munitionslager ?) und Unterkünfte. Im Vorfeld Bunker und Scheinwerfer.
In den Dünen südlich des Hafens ausgedehnte Verteidigungsanlagen, die sich etwa 2 km nach Süden erstrecken. Erkannt sind:
4. Eine Batterie zu drei Geschützen mittleren bis schweren Kalibers nördlich des Südwellenbrechers mit Leitständen und Unterkunftsgebäuden.
5. Eine Batterie zu vier Geschützen mittleren bis schweren Kalibers südlich des Wellenbrechers mit Leitstand und Batteriegebäuden.
Ferner im ganzen Abschnitt getarnte Bunker und MG-Stände sowie Scheinwerfer.
Quelle: M.Dv. 915 "Fremde Marinen - Niederlande - Küstenverteidigung und Häfen" OKM 3. Seekriegsleitung vom März 1940 |
Geschichte:
Der Bau der Verteidigungslinien um Amsterdam fiel in
den gleichen Zeitraum wie der Bau des Nordseekanals, der eine hohe
wirtschaftliche Bedeutung für Amsterdam besaß. Der Kanal wurde 1876 eröffnet und
es war von Anfang an klar, dass er auch eine besondere strategische Bedeutung
hatte, die eine Verteidigung notwendig machte. Hierzu gehörten nicht nur der
Kanal selbst, sondern auch die wichtigen Schleusen von Ijmuiden, über die eine
Überschwemmung des Hinterlandes durchgeführt werden konnte.
Erste Pläne für das Fort wurden 1874 erstellt. Nachdem das Parlament die Gelder
für den Bau genehmigt hatte, konnte 1881 der Bau begonnen werden. 1888 wurde das
Fort in Betrieb genommen. Es war im Festungsgürtel von Amsterdam das am
schwersten bewaffnete Fort und im Festungsgürtel weit westlich vorgeschoben.
Das Fort befindet sich auf einer künstlich aufgeschütteten Insel in Front zum
Nordseekanal. Es besitzt eine dreieckige Grundform mit trockenem Graben, die von
Grabenstreichen geschützt werden. Als Hauptbewaffnung dienten fünf 24cm
Krupp-Geschütze L/30, die in Hartguss-Panzerständen der Firma Gruson standen.
Die Hartguss-Panzerbatterie schützte frontal den Eingang zum Nordseekanal, den
Hafen und Teile der Nordsee. Der Schwenkbereich der Kanonen in der
Hartguss-Panzerbatterie betrug durch die Minimalschartenlafetten 70 Grad.
Landseitig befand sich ein Panzerturm mit zwei 15cm Kanonen L/30, der sich um
360 Grad drehen konnte. Seine Aufgabe bestand hautsächlich im Schutz des Forts
selbst, da seine Geschütze die damaligen Panzerplatten von Schiffen nicht
durchschlagen konnte. Zwei 10cm Kanonen konnten Richtung Kanal feuern. Der
trockene Graben wurde mit 56 Gewehrscharten, 13 Maschinengewehren (Montigny M83
Gardener M90) und 8cm Geschützen bestrichen. Die Besatzungsstärke betrug 354
Mann.
Das Fort wurde ursprünglich aus Backsteinen errichtet. Erst am Ende des 19.
Jahrhunderts wurde zur Verstärkung eine Stampfbetonschicht aufgebracht, in die
gebrochener Backsteinsplitt untergemischt war. Das Fort war dreistöckig
angelegt. Die Unterkunftskasematten befanden sich im untersten Stockwerk. Das
zweite Stockwerk enthielt die Munitionsmagazine und Materiallager, während im
ersten Stock die Waffen installiert waren.
Während des ersten Weltkriegs wurde das Fort mobilisiert, obwohl es zu diesem
Zeitpunkt artilleristisch veraltet war. Die 24cm Kanonen besaßen nur eine
Durchschlagsleistung von 105 Millimeter Panzerung auf sechs Kilometer
Entfernung, was 1914 nicht mehr zeitgemäß war. Trotzdem sollten feindliche
Bewegung in Richtung Kanal verhindert werden. Durch Neutralität der Niederlande
kam es jedoch nicht zu Kämpfen um das Fort. 1917 wurden Überlegungen zu einer
Modernisierung des Forts angestellt. Auch sollte etwas südlich vom Fort Ijmuiden
ein zweites modernes Fort entstehen. Jedoch sind diese Absichten über den
Planungsstand nicht hinaus gekommen.
Auch im zweiten Weltkrieg ist es zu keinen Kämpfen um das Fort gekommen. Die
Wehrmacht nutzte das Fort zunächst als Depot für Marinewaffen, -munition und
Material. Die Geschütze der Panzerbatterie und der Panzerturm wurden
verschrottet. Mit der Errichtung des Atlantikwalls erklärte man Ijmuiden zur
Festung. Auf dem Fort und in der näheren Umgebung wurden 37 Bunker aus dem
Regelbauprogramm des Atlantikwalls gebaut.
Nach dem 2. Weltkrieg verfiel das Fort, da es keine strategische Bedeutung mehr
besaß. Um der Schiffahrt mehr Raum zu geben, wurden Teile der Insel entfernt.
1996 erklärte die UNESCO die Stellung von Amsterdam zum Weltkulturerbe. Der
weitere Verfall des Fort Ijmuiden wurde nun verhindert. Heute kann das Fort
regelmässig besichtigt werden.
Die Fortinsel vom Schiff gesehen |
Die Fortinsel vom Festland gesehen |
Regelbau M671 vor demFort |
Regelbau 671 |
Die zusammenlaufenden Gefechtsflure |
Der rechte Gefechtsflur |
Turmschacht |
Turmschacht: Blick nach oben |
Der Panzerturm für zwei 15cm Kanonen L/30 Quelle: "Denkschrift über die niederländische Landesbefestigung" 1941 |
Der Panzerturm für zwei 15cm Kanonen L/30 Quelle: "Ministerie van Defensie - |
Kasematte |
Kasematte |
Pulverkammer |
Pulverkammer |
Munitionsaufzug |
Munitionsaufzug |
Umlaufender Hohlgang bei den Pulverkammern |
Umlaufender Hohlgang bei den Pulverkammern |
Die Hartguss-Panzerbatterie |
Die Hartguss-Panzerbatterie |
Die Hartguss-Panzerbatterie |
Segment der Hartguss-Panzerbatterie |
Aufsicht auf die Panzerbatterie Quelle: k.u.k. Militär-Comité "Constructionsdetails der Kriegsbaukunst" 1878 |
Querschnitt einer Panzerbatterie Quelle: k.u.k. Militär-Comité "Constructionsdetails der Kriegsbaukunst" 1878 |
Modell der 24cm Kanone in Minimalschartenlafette Quelle: Gruson "Hartguss-Panzerungen und Minimalscharten-Lafetten" 1890 |
Modell vom Aufbau der Hartguss-Panzerbatterie Quelle: Gruson "Hartguss-Panzerungen und Minimalscharten-Lafetten" 1890 |
Schnitt durch den Panzerdrehturm Quelle: Gruson "Hartguss-Panzerungen und Minimalscharten-Lafetten" 1890 |
Der Saal der Panzerbatterie |
Scharte und Pivot eines Geschützes |
Zielanweisungen und Richtkorrekturen an der Wand |
Zielanweisungen und Richtkorrekturen an der Wand |
Die 24cm Küstenkanone L/30 von Krupp Quelle: Krupp "Artilleriematerial Krupp Rhein-Essen" 1876 |
Die Minimalschartenlafette C/84 Quelle: Gruson "Hartguss-Panzerungen und Minimalscharten-Lafetten" 1890 |
Wandgemälde |
Wandgemälde |
Durch Vandalismus zerkratzte Wandgemälde... |
... und der Versuch einer Rekonstruktion mittels Bildbearbeitung |
Der trockene Graben |
Die Grabenstreiche |
Der Sechsschartenturm des Regelbau 644 |
Der Sechsschartenturm |
Leiter zum Sechsschartenturm |
Farbige Orientierungsfelder im Sechsschartenturm |
Abgedeckter Geschützbrunnen für den 15cm Panzerturm |
Regelbau M170 |
Regelbau 631 für tschechische 4,7cm Pak |
Kasematte und Scharte für tschechische 4,7cm Pak |
Niederländischer MG-Stand |
Regelbau V191 für Wabo-Werfer |
Die nachfolgende Erläuterung zu Hartguss-Panzerbatterien stammt aus dem Buch "Hartguss-Panzerungen und Minimalscharten-Laffeten" von Julius von Schütz aus dem Jahre 1890 Seite 53 ff.:
Die Verwendung der Hartguss-Panzerbatterien ist auch bei der Küstenbefestigung eine beschränktere, als diejenige der Hartguss-Panzerthürme, da letzteren entschieden der Vorzug gebührt, sobald ein grösseres Schussfeld bestrichen werden soll. In einzelnen Fällen jedoch ist das Schussfeld an und für sich ein beschränkteres, und alsdann kommt es darauf an, die feindlichen Schiffe, während sie diesen Strich passiren, unter ein möglichst concentrirtes Feuer zu nehmen. Für derartige Zwecke gebührt der Hartguss-Panzerbatterie der Vorzug, da sie eine beliebig grosse Anzahl schwerer Küstengeschütze auf einen verhältnissmässig sehr kleinen Raum vereinigt.
Das Bild zeigt die äussere Ansicht einer gedeckten Batterie für sechs Geschütze. Den wichtigsten Theil der Panzerung bilden die Schartenplatten, welche auf den sogenannten Pivotplatten ruhen und sich seitlich gegen je zwei Pfeilerplatten anlehnen. An beiden Enden stützt sich die Batterie gegen Mauerwerk, welches durch Erdschüttung gegen die Wirkung der Geschosse gesichert ist; vor der Batterie befindet sich ein Glacis bestehend aus einer Betonschicht mit starker Granitauflage.
Der Schutz gegen Bogenschüsse wird durch Deckenplatten bewirkt, die sich vorne auf die Scharten- und Pfeilerplatten, hinten aber auf Mauerpfeiler stützen, an welche letztere sich Casematten anschliessen. Die Stossflächen der einzelnen Platten sind glatt abgefräst und mit Aussparungen versehen, die bei der Montirung mit Zink ausgegossen und durch eiserne Dübel ausgefüllt werden; ein weiterer Verband ist bei der Grösse der Plattengewichte überflüssig.
Der ganze Bau ruht auf Unterlagsplatten, welche auf der oberen und unteren Seitc mit je 2 Rippen versehen sind; die oberen Rippen umfassen die Panzerplatten und machen eine Verschiebung unmöglich, während die unteren in das Fundamentmauerwerk eingreifen.
Wie bei der Beschreibung der Minimalscharten-Laffeten hervorgehoben, werden dieselben beim Richten mittelst Rollen auf kreisbogenförmigen Schienen geschwenkt. Diese Bewegung wird durch einen an jeder Laffete angebrachten Arm geregelt, welcher sich um einen Zapfen dreht, der unter der Scharte in der sogenannten Pivotplatte befestigt ist. Die Drehung wird durch ein Kurbelgetriebe geleitet und auf eine der Rollen übertragen.
Eine Panzerbatterie besteht gewöhnlich aus zwei Stockwerken, in deren oberem sich, ..., die Geschütze befinden, während das untere als Munitionsgelass benutzt wird. An die hintere Seite des Geschützraumes schliesst sich ein breiter Säulen- bzw·. Pfeilergang- an, welcher die Verbindung zwischen den einzelnen Geschützen erleichtert. An die hintere Seite des Munitionsgelasses grenzt der Raum, in welchem die Accumulatoren und die Pumpen für die ganze Batterie untergebracht sind.
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Die Accumulatoren stehen, wie aus der Zeichnung zu ersehen, mit einer unter dem Geschützraum parallel zur Batteriefront verlaufenden Rohrleitung in Verbindung, von welcher sich Rohre nach den hohlen Pivotzapfen der einzelnen Laffeten abzweigen, um von hier aus nach dem Hubcylinder der Laffeten weiter geführt zu werden. Eine bestimmte Regel darüber, wie viele Geschütze mit einem Accumulator bzw. mit einem System von mehreren combinirten Accumulatoren verbunden werden, lässt sich nicht aufstellen, da die beste Lösung der Aufgabe in jedem einzelnen alle von den räumlichen Verhältnissen abhängig ist.
Die Panzerstärke einer Batterie hängt natürlich von der Stärke der Angriffskaliber ab, welche der Construction zu Grunde gelegt werden.
Letzter Stand: 16.08.2019